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Interview mit Paweł Hause – Bischof der Masurischen Diözese Dawid Gospodarek (KAI):
Wie kam es dazu, dass das katholische Ermland und Masuren die Kreuzritter gegen die Evangelischen eintauschte?
Bischof Paweł Hause: Eine interessante und keineswegs offensichtliche Angelegenheit ist die Haltung – übrigens nicht nur der Masuren oder Ermländer – gegenüber dem Deutschen Orden. Religiöse und nationale Fragen vermischen sich. Begriffe wie Kreuzritter, Deutsche und Evangelische werden oft austauschbar und selektiv verwendet.
Zunächst war der Deutsche Orden katholisch. Der vollständige Name – Orden der Brüder vom Deutschen Haus St. Mariens in Jerusalem – lässt daran keinen Zweifel. Doch der Kampf polnischer Truppen gegen einen katholischen Orden wurde negativ wahrgenommen, weshalb man sie später als Protestanten bezeichnete. Der Orden wurde erst nach der Säkularisation Preußens protestantisch. Es passt nicht nur den Ermländern und heutigen Masuren, Evangelischen die deutsche Identität zuzuschreiben – und umgekehrt. Zum Beispiel fanden Proteste gegen die Eröffnung eines Lidl-Marktes in Dietrichswalde unter dem Motto statt: „Wir wollen hier keine protestantische und deutsche Seuche.“
Wie war die Haltung Polens gegenüber den religiösen Veränderungen in dieser Region, und warum ergriff der polnische König keine entschiedeneren Maßnahmen gegen die Reformation?
Polen verhielt sich gegenüber dem neuen evangelischen Staat so, wie es angemessen war. Nicht unwesentlich war die Tatsache, dass Herzog Albrecht ein Neffe von König Sigismund dem Alten war. Die Beziehungen zwischen Polen und dem deutschen Preußen waren damals die besten in der Geschichte. Zwar gab es auch Gegner, und Sigismund der Alte wurde kritisiert, doch das hinderte nicht die Entwicklung des Handels, des Bildungswesens und des Wohlstands der Gesellschaft. Der polnische Adel unterstützte die Reformation und trat zum Protestantismus über (hauptsächlich zum reformierten Glauben), weshalb der König nicht gegen die Reformation vorging.
Welche Aktivitäten entfaltete Martin Luther im Kontext dieser Ländereien?
Luther wurde gewissermaßen zum Schöpfer des ersten protestantischen Staates der Welt, nämlich Preußens. Auf seine Anregung hin entstand ein sekuläres evangelisches Staatswesen – das heutige Masuren. Luther trug indirekt zur Entwicklung und Erhaltung der polnischen Sprache in diesen Regionen bei, da die Reformation die Volkssprache in den Gottesdienst einführte. Es wurden auch polnische Bücher veröffentlicht, vor allem religiöse für die polnisch-masurische Bevölkerung, die einen großen Teil der Bevölkerung ausmachte – eine Tatsache, die oft vergessen wird.
Wie war das liturgische und pastorale Leben in der neuen evangelischen Kirche organisiert, insbesondere im Kontext der im Gottesdienst verwendeten Volkssprachen?
Herzog Albert führte ein neues Kirchenprogramm ein. Dank polnischer Bibeln und Gesangbücher blieb die polnische Sprache erhalten, und die Zahl der Veröffentlichungen war wirklich beeindruckend.
Woher kamen die neuen Geistlichen für Ermland und Masuren?
Der neue Herrscher bildete zukünftige polnische evangelische Geistliche in Königsberg und Rastenburg aus. Er holte Theologen und eine Gruppe von Wissenschaftlern an seine Universität.
Ist die weit verbreitete Annahme, die Evangelischen in diesen Gebieten seien Deutsche, berechtigt?
Ich höre oft, dass Evangelische Deutsche sind, nicht nur in Polen. Wenn der durchschnittliche Pole von Evangelischen in Masuren hört, identifiziert er sie automatisch mit Deutschen. Das ist unfair gegenüber evangelischen Geistlichen wie Mrongowiusz oder Gizewiusz, nach denen die Städte Mrągowo und Giżycko benannt sind. Polnische Bauernaktivisten kämpften für das Polnischsein Masurens, einschließlich der Intelligenz. Leider sind Vorurteile schwer zu überwinden.
Welchen größten Herausforderungen und Schwierigkeiten sah sich die evangelische Gemeinde nach 1945 gegenüber?
Nach 1945 erlebte die evangelische Diözese Masuren eine schwierige Zeit. Es herrschte Priestermangel, Gläubige wanderten ab, und Katholiken übernahmen Kirchen und Pfarrhäuser. Die kommunistischen Behörden verhinderten den Wiederaufbau zerstörter Kirchen und unterstützten die Evangelischen nicht, als diese ihr Eigentum beschlagnahmten.
Die masurische Diözese erlebte zwischen 1945 und 1959 viele Veränderungen. Welche Schlüsselereignisse und Entscheidungen beeinflussten ihre Entwicklung in dieser Zeit, insbesondere im Kontext der Beziehungen zu den kommunistischen Behörden?
Die ersten Nachkriegsjahre waren entscheidend für die Entwicklung der Situation der Evangelischen in dieser Region. Die Politik der Volksrepublik Polen ließ keinen Zweifel daran. Evangelische genossen keine privilegierte Stellung. Da sie mit dem Deutschtum identifiziert wurden, wurden sie oft ausgegrenzt, was auch einer der Gründe für ihre Massenauswanderung war.
Welchen Repressionen waren Evangelische durch die kommunistischen Behörden in der Volksrepublik Polen ausgesetzt, und wie wirkten sich diese auf die Arbeit der Diözesen und das Leben von Geistlichen und Gläubigen aus?
Die Behörden behandelten die Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses deutlich schlechter als die Mehrheitskirche und nutzten die Situation oft für ihre eigenen Zwecke aus, wodurch die Differenzen zwischen ehemaligen und neuen Einwohnern weiter verschärft wurden. Neue Einwohner wurden privilegiert. Die masurischen Evangelischen, oft polnischer Herkunft, wurden sowohl von den Behörden als auch von den Zuwanderern aus dem Wilna-Gebiet und anderen Regionen der ehemaligen UdSSR schlechter behandelt.
Die Eigentumsfrage an evangelischen Kirchen war nach dem Krieg äußerst problematisch. Was waren die wichtigsten Streitigkeiten und Herausforderungen im Zusammenhang mit den Kirchenrechten, und wie wurden sie im Laufe der Jahre gelöst (oder nicht gelöst)? Sind die Eigentumsfragen derzeit zufriedenstellend geklärt?
Die neuen Vorschriften der Behörden diskriminierten insbesondere Evangelische. Heute ist es schwierig, alle Gründe und Beispiele für diese Diskriminierung aufzuzählen. Sie machen weder den Behörden noch den lokalen Gemeinden Ehre. Zerstörung und Plünderungen betrafen sogar evangelische Friedhöfe. Belassen wir es dabei, um das heutige zivilisierte Bild zu wahren. Es lohnt sich jedoch, an die Beschlagnahmung und Misshandlung zu erinnern, für die es keine Rechtfertigung gibt. Die Gläubigen, denen der Zugang zur Kirche verwehrt war, wanderten größtenteils in die Bundesrepublik Deutschland aus. Auch vonseiten der neuen Bewohner erhielten sie eine „Motivation“ zur Ausreise. Der Priester wurde zudem als Deutscher behandelt, was Arbeit und Funktion sowie die Erledigung alltäglicher Formalitäten unter den ohnehin ungünstigen Nachkriegsbedingungen erschwerte.
Welche neuen Herausforderungen und Chancen ergaben sich für die Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses nach dem Regimewechsel in Polen?
Lediglich 6 Prozent der von Katholiken übernommenen evangelischen Kirchen wurden zurückgekauft. Mehr als 250 Kirchen wurden uns weggenommen. Nicht alle Gemeinden forderten konsequent ihre Rückgabe. Daher erweckt der noch immer ungeklärte Status vieler Kirchen den Eindruck, alles sei einvernehmlich und legal verlaufen. Dies war jedoch nicht der Fall, und Evangelische empfinden nach wie vor Ungerechtigkeit. Nach der politischen Wende stand die Evangelisch-Lutherische Kirche in Masuren vor einer großen Herausforderung: der Renovierung von Kirchen, die jahrelang unter dem kommunistischen Regime vernachlässigt worden waren. Plötzlich standen Baumaterialien zur Verfügung, doch die Großzügigkeit der dezimierten Gemeinden reichte nicht aus. Diese Situation hält bis heute an und betrifft über die Hälfte der masurischen Diözese.
Die Anpassung an die neue Situation erfordert die kontinuierliche Suche und Nutzung organisatorischer Talente.
Die einzige Konstante bleibt die Verkündigung des Wortes Gottes, die wir unter allen Umständen verkünden.
Die Kirche engagiert sich auch karitativ, sozial und kulturell. Nennen Sie bitte konkrete Beispiele für solche Initiativen und deren Bedeutung für die lokale Gemeinschaft.
Die Masurische Diözese der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses ist stolz auf ihre karitative Arbeit, die für die lokale Gemeinschaft von großer Bedeutung ist. Wir betreiben ein evangelisches Pflegeheim in Nikolaiken, kommunale Selbsthilfezentren, einen Verleih von Rehabilitationsgeräten und eine Lebensmittelausgabe. Darüber hinaus führen wir kulturelle und soziale Aktivitäten durch. Die Internationalen Musikkonzerte in Passenheim und das Orgel- und Kammermusikkonzert in Lötzen sind bekannt. Wir haben auch Museen, darunter das Reformationsmuseum. Dies sind nur einige Beispiele für unsere umfangreichen Aktivitäten in den Pfarreien der Region. Unsere kleine Gemeinde trägt wesentlich zum Leben der lokalen Gemeinden bei, was uns als Minderheitskirche erkennbar macht und es uns ermöglicht, weiterhin ein unverändertes kulturelles Erbe und zeitgenössische Aktivitäten anzubieten, die für alle Einwohner und Touristen wichtig sind.
Die Feierlichkeiten zum 500. Jahrestag der Reformation in Masuren begannen am 10. April dieses Jahres mit einem Gottesdienst in Allenstein, am Jahrestag des Preußischen Huldigung. Bisher fanden ein Reformatorisches Chortreffen in Ortelsburg sowie eine wissenschaftliche Tagung zum 500. Jahrestag der Reformation in Passenheim statt. Der zentrale Jubiläumsgottesdienst wird am 6. Juli dieses Jahres um 16.00 Uhr in Sensburg stattfinden. Die Masurische Diözese wird vom 17. bis 19. Oktober dieses Jahres die Synode der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Allenstein ausrichten. Ebenfalls in Allenstein wird am 10. Dezember dieses Jahres eine wissenschaftliche Tagung „Einführung des evangelischen Kirchenrechts im Herzogtum“ stattfinden.
Auf Polnisch: Redaktion
Originaltitel: 500 lat Reformacji na Mazurach
Wywiad z Pastorem Pawłem Hause - Biskupem Diecezji Mazurskiej
Dawid Gospodarek, 25 Juni 2025, 14:17
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