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von Arkadiusz Łuba
Anfang Mai lud der Botschafter der Republik Polen in der Bundesrepublik Deutschland, Dariusz Pawłoś, in den Garten der Berliner Botschaft ein, den Tag der Verfassung vom 3. Mai zu feiern. Die polnische Verfassung von 1791 gilt als erste moderne Verfassung in Europa nach der am 17. September 1787 verabschiedeten Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika.
Die Feierlichkeiten wurden mit einem alten Lied eröffnet, das alljährlich zur Erinnerung an die polnische Verfassung aufgeführt wird: Witaj, majowa jutrzenko!, zu Deutsch etwa: Willkommen, Maienmorgenröte! Eine der Strophen dieser Mazurka lautet:
Sei gegrüßt, dritter Mai,
Der uns Freiheit verkündet,
Die Unterdrücker sind bereits geflohen,
Polen, heute triumphierst du.
Inhaltlich orientierte man sich bei der Verfassung vom 3. Mai 1791 an den Ideen der Aufklärung, der Erklärung der Menschenund Bürgerrechte sowie den seit dem 16. Jahrhundert in Polen selbst stattfindenden Reformdiskursen. So feiere man in Berlin nicht nur einen historischen Meilenstein in polnischer Geschichte, sondern auch grundlegende Werte, die das Land geprägt hätten, sagte in seiner Begrüßungsrede der Botschafter der Republik Polen, Dariusz Pawłoś. Er nannte die Verabschiedung der Verfassung einen Akt der Weitsicht und des Mutes. Und stellte ihn in eine Reihe zusammen mit anderen für Polen wichtigen Ereignissen: „Diese Tatsache betone ich gerne an Gesichts des Jahrestages, den wir am 1. Mai feiern – unseres Beitritts zur Europäischen Union vor 20 Jahren. Wir konnten an dem Tag in manchen deutschen Medien interessante Stimmen der Fachleutehören, die beispielsweisemeinten, Polen sei eine junge Demokratie. Vielen Dank für dieses Kompliment. Aber so jung ist die polnische Demokratie gar nicht. Auch das Wahlrecht haben die Frauen in Polen früher bekommen als zum Beispiel in Deutschland. Ausgerechnet heute, im 21.Jahrhundert, bleiben Werte der Verfassung vom 3.Mai für uns von großer Bedeutung. In einer Zeit, in der die Welt mit Herausforderungen wie globalen Konflikten, wirtschaftlichen Unsicherheiten und Umweltproblemen konfrontiert ist, erinnert uns der 3.Mai daran, dass unsere Gesellschaft auf den Prinzipien der Freiheit, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit beruht“.
Auch die Staatsministerin für Europa und Klima im Auswärtigen Amt Anna Lührmann hob die Bedeutung der ersten europäischen Verfassung hervor. Sie zitierte einige Zeilen aus dem Dokument: Wir machen hier durch Kund und versicher nöffentlich völlige Freiheit allen Leuten, die entweder nun in unser Land kommen, sich allda niederzulassen oder die ehemals unser Landverlassen haben und jetzt dahin zurück kommen wollen. Ein jeder Mensch, der sei, woher er wolle, sowie nur seine Füße den polnischen Boden und Grund betreten, völlig freier Herr und Meister sein soll, seine Kunst und Geschicklichkeit zu benutzen.
Für Lührmann sei „die in der Mai-Verfassung zum Ausdruckgebrachte Freiheitsliebe wirklich beeindruckend“:„In der Summe steht der 3.Mai für den Wunsch, in Frieden, in Freiheit, in Sicherheit, Wohlstand und in Selbstbestimmung zu leben. In derselben Tradition begehen wir dieses Jahr zwei weitere wichtige Jahrestage.25 Jahre NATO-Beitritt und 20 Jahre Mitgliedschaft Polens in der Europäischen Union. Damals wuchs die EU von 15 auf 25 Mitglieder und begrüßte rund 75 Millionen neue Unionsbürgerinnen und -bürger. Die Osterweiterung der EU ist wirklich eine beispiellose Erfolgsgeschichte Sie ist ein zentraler Meilenstein im Wiedervereinigungsprozess Europas“, sagte die Staatsministerin weiter.
Lührmann nutzte allerdings dabei auch die Gelegenheit, um das polnische Verhalten in der Europäischen Union während der Regierung von „Recht und Gerechtigkeit“ (Prawo i Sprawiedliwość, PiS) zu kritisieren und ihre Sorgen für die weitere Zusammenarbeit auf europäischer Ebene auszusprechen. Heute befänden sich erneut zehn Staaten im Beitrittsverfahren. Damals wie heute sei die Erweiterung anspruchsvoll für die Kandidaten, aber auch für die EU selber, sagte sie: „Eine größere EU ist nicht ganz automatisch eine stärkere EU. Die EU muss sich daher auch weiterentwickeln und reformieren. Die EU muss auch mit mehr als 30 Mitgliedern handlungsfähig und resilient sein. Neben der Erweiterung brauchen wir deswegen auch interne Reformen in der EU. Dazu gehört auch die Diskussion über qualifizierte Mehrheitsentscheidungen in der EU. Aus meiner Perspektive zeigt die polnische Geschichte und das Liberum Veto die potenziellen Gefahren der Einstimmigkeit. Wir sollten daher den Mut haben, auch gemeinsam aus der polnischen Geschichte zu lernen. Das Gleiche gilt auch für unsere Grundwerte. Wir müssen sie vor Angriffen von innen wie auch von außen schützen“, so die Politikerin wörtlich.
In seiner Ansprache bezog sich dagegen der Vorsitzende des Rates für die Zusammenarbeit mit Ukraine und zugleich Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des polnischen Sejm, Paweł Kowal, auf die Belle Époque; jene schöne Epoche, die für eine von politischen, sozialen, wirtschaftlichen, technologischen, kulturellen und wissenschaftlichen Umbrüchen und Fortschritten geprägte Periode um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert steht. Belle Époque wird hauptsächlich als eine lebensfrohe, durch Frieden, wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand gekennzeichnete Kulturepoche in Europadargestellt und interpretiert. Doch diese endete, meint Kowal:„Die zentraleuropäische Belle Époque, unsere neue Belle Époque, endete endgültig mit dem breit gefächerten Überfall Russlands auf Ukraine. Wenn mich Menschen fragen, was ist die polnische Strategie in der Außenpolitik, antworte ich ganz einfach: Die Sicherheit. Es geht einfach um die Sicherheit. Dekaden des Friedens sind vorbei. Es gibt keinen Frieden mehr“. Darüber hinaus listete Kowal einige für ihn wichtige Punkte auf, die ein klares Zeichen gegen Putin und seine Autokratie setzen und die gemeinsame europäische Entschlossenheit zeigenwürden:„Wir sollten die europäische Energieversorgung umstellen, um ein seriöser Partner für die USA zu werden. Denn wir brauchen mehr Waffenproduktion, um Russland und andere potenzielle Kräfte abzuschrecken. Auch unsere Industrie sollten wir Richtung Waffenproduktion umgestalten. Aber nicht nur. Unsere Industrien sollen so gefördert werden, damit wir wettbewerbsfähig und in der Lage sind, unsere Grenzen und unsere Werte zu verteidigen. Unsere Aufgabe ist es, die EU und die Nato um Ukraine, Moldawien, Westbalkanländer und Georgien zu erweitern“.
Während geladene Gäste im besonnten Garten der polnischen Botschaft kulinarische Köstlichkeiten des Karpatenvorlands mit seiner Hauptstadt Rzeszów verkosteten, spürte manch einer auch kalten Wind im Rücken. Denn das rauschende Fest zum Jahrestag der Verabschiedung der polnischen Verfassung vom 3. Mai 1791 setzte auch starke politische Akzente für die von Putin und von anderen Autokraten sowie von Extremisten bedrohte Zukunft.
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